1924 wurden mein Großvater
Emil *2.2.1877, meine Onkel Hugo, Friedrich, Hugo Schmidt sowie mein Vater auf
der Zeche Friedrich-Heinrich
angelegt, wie es in der Sprache der Bergleute heißt. D.h. man hatte
eine Anstellung gefunden. Soweit ich bisher feststellen konnte, sind alle Röcken-Vorfahren
Bergleute gewesen.
Rund um die Zeche
Friedrich-Heinrich war 1909 eine Siedlung
gebaut worden, in der alle Bergleute wohnten. Wenn man sich nicht gut orientierte,
konnte man sich verlaufen. Viele Häuser sahen ähnlich aus. In der
Albertstraße
12b fanden meine Eltern eine preiswerte Wohnung. Es waren Schlafzimmer,
Wohnstube, gute Stube im Obergeschoß. Im Erdgeschoß gab es einen
Anbau in dem die Küche untergebracht war. Ein kleiner Garten mit einer
Gartenlaube sowie eine Garage, die wir selbst gebaut hatten, gehörte ebenfalls
dazu. Zusätzlich gehörten drei Kellerräume dazu. Die Wohnungen
wurden lange mit Kohle beheizt, die als Deputat von der Zeche geliefert wurde.
Rechts neben der Treppe war das Einfüllfenster zum Kohlenkeller durch das
dann immer einige Tonnen Kohle zu transportieren waren.
Meine Mutter darauf angesprochen,
warum sie so lange keine Kinder haben wollte: "Ich bin einmal zu einer
Beerdigung gewesen. Ich habe mich sehr gewundert, dass niemand um die Verstorbene
trauerte. Ich erfuhr, dass sie kinderlos verstorben war. Das hat mich schockiert.
Das sollte mir nicht passieren." Ihr Kinderwunsch war schon recht eigensüchtig.
Nach 14 Jahren Ehe kam ich am 19.November 1940 zur Welt. Geboren wurde ich im
Krankenhaus in Rheinberg. Das Geburtsgewicht war rd. 10 Pfund. Meine Taufe fand
am 28.Nov. in der Katholischen Pfarrkirche St. Peter zu Rheinberg statt. Paten:
Johanna Nau, geb. Hackstein (Ehefrau von Josef Nau, Mutters Bruder) und Hans
Nau (Mutters Bruder, der aber im Krieg war).
Hänschen
klein im Kinderwagen
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Im Park um den Pappelsee konnte man schön spazieren gehen. |
Mutters Bruder Josef wohnte mit Tante Johanna im Haus des Bruders Hein Hackstein in Saalhoff. Hein hatte einen Arm verloren, war aber trotzdem ein gefürchteter Schütze. Besonders die Krähen im Kamper Busch mußten sich vor ihm in Acht nehmen. Die Randlage von Saalhoff in der Nähe des großen Waldes, der Leucht, brachte Ruhe und gesunde Luft. Da machte man gern mal einen Ausflug dorthin. | |
Doch
schon ganz kräftig der Bursche !
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Hier traf man sich. Bei
den Bergleuten ging es gemütlich zu. Die schwere Arbeit und die Gefahr
schweißte zusammen. Bier und Schnaps und besonders Onkel Jupp's Zigaretten
waren nicht wegzudenken.
Neben
den Eltern sowie Onkel und Tante mein Cousin (Heinrich) Heinz *1936
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Man
bemerke die tollen Hosenträger !
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Hille
mit Schutenhut, ich mit Sepplhose, alles Mutter's Kreationen
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Der
Pappelsee hatte immer große Anziehungskraft. Später haben wir
dort Eishockey gespielt.
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Die Zeiten werden schlimmer,
Bomben werden abgeworfen um die Zechenanlagen zu zerstören und damit die
Industrie lahmzulegen. Meist kommen die britischen Bomber in der Nacht. In der
Albertstraße sind Bombentrichter. Abends gehen wir zu Bekannten und schlafen
dort im Keller in Zinkbadewannen auf Stroh. Vater arbeitet meist nachts.
Sehr
schick im Partner-Look
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Mit
Cousine Liesel Imhoff, Tochter von Mutters Schwester Käthe, bei der
sie auch arbeitete.
Tante Käthe war Schneidermeisterin. |
Während des Krieges
wurde das Haus durch eine Brandbombe getroffen. Gott sei Dank ohne dabei große
Schäden anzurichten.
Kurz vor Kriegsende wurde Vater, der als Bergarbeiter vom Wehrdienst freigestellt
war, zum Volkssturm eingezogen. Er wurde in den Raum Geldern abkommandiert.
Nachdem er erkannte, dass dieser verbrecherische Krieg bald zu Ende sein würde,
entzog sich der unsinnigen Maßnahme, indem er in den Untergrund ging.
In einer dunklen Nacht überquerte er in einem Ruderboot den Rhein um bei
sozialdemokratischen Freunden in Mühlheim/Ruhr unterzutauchen. Erst nach
Kriegsende kam er zurück. Hätte man ihn bei dieser Aktion aufgegriffen,
wäre er wegen Fahnenflucht exekutiert worden.
Im Frühjahr 1945
waren die Amerikaner nach schweren Verlusten im Gebiet Geldern/Kleve im Vormarsch.
Jetzt mußten wir auch Attilleriefeuer hinnehmen. Die Häuser waren
mit Einschlägen von Geschossen übersäht. Anfang Mai zogen die
Amerikaner mit Panzern durch unsere Straße. Man hatte große Angst
noch auf irgendwelche SS-Männer zu stoßen. Erstmals sahen wir dunkelhäutige
Menschen. Aber die, das stellte sich bald heraus, waren auch nur Menschen. Ein
amerikanischer Soldat schleppte immer mit Hildegard herum. Er hatte sicher zuhause
auch eine kleine Tochter. Hildegard wurde mit Schokolade verwöhnt. Erstmals
bekamen wir Apfelsinen und Bananen.
Unsere Wohnung wurde, weil Eckwohnung, als strategisch wichtig, von den Amerikanern besetzt. Wir mußten bei Nachbarn unterkommen. Aber diese Phase hat nicht lange gedauert. Bis auf unser Eingemachtes, das ihnen scheinbar gut geschmeckt hat, ist nichts verloren gegangen oder zerstört worden. Die Wohnungseinrichtung mußte in einem Zimmer zusammengestellt werden.
Die ersten Nachkriegsjahre waren von der Sorge um ausreichende Nahrung geprägt. Ich kann mich noch gut erinnern, dass Vater, der wieder auf der Zeche arbeitete, sein mit Salami belegtes Brötchen (von der Zeche erhalten) oft für uns Kinder mit nach Hause brachte. Er selbst hungerte. Man war unentwegt auf der Suche nach Nahrung. Da half es auch, dass Mutter für Fremde nähen konnte um dafür irgend etwas essbares als Lohn zu erhalten. Wenn das Korn geerntet war zog man auf die Felder um Korn aufzusammeln. Ich kan mich besonders an einen Vorfall erinnern: Wir waren mal wieder unterwegs und fanden seinen Sack voller Ähren, die wohl jemand heimlich von den Halmen geschnitten hatte. Den Sack auf's Fahrrad und weg ! Mit dem gedroschenen Korn konnten ein paar Brote gebacken werden. Im Herbst wurden, auf abgeernteten Kartoffeläckern, übersehene Kartoffeln gelesen.
In Rheinberg waren deutsche
Kreigsgefangene von den Briten in einem mit Stacheldraht umzäunten Lager
untergebracht. Das Lager lag direkt an der Straße von Kamp nach Rheinberg.
Die Soldaten litten Hunger und lagerten auf freiem Feld. Obwohl wir selbst nicht
viel zu Essen hatten brachten wir Kinder, denn nur wir durften zu den Soldaten
an den Zaun, etwas zu essen. Einige sind dort auch umgekommen.
Unsere Verwandten (mütterlicherseits) im Hessenland hatten eine kleine
Bauernstelle in Schröck. Dorthin fuhr Mutter des öfteren um nach deren
Hausschlachtungen etwas Fleisch und Wurst zu holen. Obwohl selbst mit reichlich
Nachwuchs gesegnet fiel immer etwas für uns ab.
Hier wohnten meine Eltern bis 1978, also nahezu 50 Jahre. Dann kauften sie eine
Eigentumswohnung in der Kamperdickstraße
20.
Ich schlief auf einer Couch auf dem Flur in dieser Etage.
Hans
vor der Haustür in der Albertstraße 12b in Kamp-Lintfort. Die
Kriegsfolgen sind noch erkennbar.
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Mit
neuem Putz und Regendach sieht dann alles etwas freundlicher aus.
Auch die Linden blühen. |
Onkel Artur Röken,
von Beruf Maurer, baut zusammen mit Vater und Mutter die neue Garage. Der Berganzug
war auch bei Arbeiten zu Hause die bevorzugte Kluft. Die Steine wurden von Baustellen
der Zeche abgezweigt. Für uns Kinder eine abenteuerliche Angelegenheit.
Ja, Selbsthilfe war in dieser Nachkriegszeit angesagt. Gegenüber ein typisches
Haus der Zechen-Siedlung. Dort wohnte "Pückelchen", eine Nachbarin
mit einem Puckel.
Die Straßenbäume waren Linden. Zur Blütezeit ein sehr schöner
Duft und Anblick. Das Auto durfte man allerdings dann nicht darunter stehenlassen
wegen des herabtropfenden Saftes. Unser erstes Auto war übrigens ein Vorkriegs
DKW mit Holzteilen in der Karosserie.
Mit
der Gartenlaube verbinde ich viele Erinnerungen. Hier hatten unsere Hühner
ihren Platz. Aber auch meine ersten Tauben, um die ich so sehr mit den Eltern
gekämpft hatte, waren hier untergebracht. Leider war die Diebstahlsicherung
nicht gut genug, sodass eines Tages alle Tiere geklaut worden sind. Von
da an war dieses Thema erledigt. Aber auch in späteren Jahren, als Vater Emil wegen seiner Steinstaublunge nicht mehr rauchen durfte, war sie als Versteck der von ihm geliebten Zigarren Allen, außer Mutter, bekannt. Es war immer herrlich sich dort aufzuhalten. Eine Oase der Ruhe. |
Die Kindheit endete mit dem Tanzkurs, der uns fit für das gesellschaftliche Leben machen sollte. Es hat wirklich Spaß gemacht. Es war auch noch völlig normal, dass bei diesem Schritt die Eltern ihre Kinder zum Abtanzball begleiteten. Auch festliche Kleidung gehörte dazu.
Hildegard
und Hans mit Tanzpartnern und Eltern
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Ich
hatte die Ehre unserer Tanzlehrerin im Nammen aller Kursteilnehmer zu
Danken und ein paar
Blumen zu überreichen. Am Bildrand rechts mein Cousin Hans Nau. |